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Bibliotheken

Wie bereits dargestellt hatte der Islam ein zum von der katholischen Kirche geprägten Christentum völlig verschiede Einstellung zur Wissenschaft.

Das Erlangen von Wissen, galt als frommes Werk im religiösen Sinne. Man hatte die Einstellung, daß es gut ist, selbst von den ungläubigen Völkern zu lernen.

Nach Auffassung der katholischen Kirche war die Bibel die einzige Quelle göttlicher Offenbarung. Forschung an irdischen Objekten konnte daher nichts Gutes sein. Die Lehre, die Erde seie eine Kugel, wurde von der Kirche abgelehnt.

Dem Islam gegenüber baute man ein richtiges Feindbild auf. Europa war geradezu abgeschottet. Dies hatte zum einen wirtschaftliche Folgen, zum anderen aber auch Folgen, was das Wissen um die Naturwissenschaften anging. Die Araber wurden als Wilde, Zauberer und Teufelsanbeter dargestellt. Ihnen wurde vorgeworfen, die unterworfenen Völker mit Gewalt zum Islam zu bekehren. Dieses Feindbild hat sich größtenteils bis heute erhalten. Es stammt von der katholischen Kirche des Mittelalters.

Der Aufstieg der islamischen Kultur ist ein erstaunliches Phänomän, wenn man bedenkt, daß andere Kulturen wie z.B. Europa, Syrien, Persien oder China im Prinzip die gleichen Möglichkeiten gehabt hätten. Das römische Reich hätte sich ja auch mit den antiken Schriften Griechenlands beschäftigen können.

Die besiegten Völker übernahmen die Sprache des Siegers: das Arabische. Damit stand eine gemeinsame Sprache zur Verfügung. Aus einer Stammessprache wurde binnen einem Jahrhundert eine Weltsprache.

Man fing an, Bücher zu sammeln und zu riesigen Bibliotheken zusammenzustellen. Viele Werke der alten Griechen wurden ins Arabische übersetzt. Bücher von Muslimen, Christen, Juden und Sabiern standen zusammen in den Bibliotheken. Die religiöse Toleranz war wie gesagt sehr groß.

Plötzlich kam das Kaufen und Lesen von Büchern in Mode. Jeder, der etwas auf sich hielt, hatte seine eigene kleine Bibliothek. Es entstand der Beruf des Buchhändlers. Jeder, der heute an einem Buchladen vorbeikommt, mag daran denken, wie es zu dieser Institution kam.

Den Run auf Bücher können wir uns vergleichbar mit dem Run nach Autos, Kühlschränken und Fernseher in der Nachkriegszeit vorstellen.

Der Fatimiden-Kalif al-`Aziz in Kairo hatte eine Bibliothek mit 1 600 000 Bänden. Sie umfaßte allein 6500 mathematische und 18 000 philosophische Schriften. Als sein Sohn an die Regierung kam setzte er noch eine zweite Riesenbibliothek mit achtzehn Sälen daneben.

Dieses Phänomän war nicht etwa auf die Gelehrten beschänkt. Die durchschnittliche Bibliothek eines Privatmannes des zehnten Jahrhunderts umfaßte mehr Werke als alle Bibliotheken des damaligen Abendlandes zusammen.

Reiche Privatleute gaben ungeheuere Summen aus, um Kommissionen oder Einzelagenten in Griechenland und Kleinasien nach alten griechischen Schriften suchen zu lassen.

Grundsätzlich anders sah es im Abendland aus. In Bezug auf die arabischen Bibliotheken, sagte der bereits erwähnte Papst Silvester II, daß es in Rom niemanden gibt, der soviel Bildung besitzt, daß er sich dort auch nur zum Türsteher eignet.

In Mitteleuropa waren vom neunten bis zum zwölften Jahrhundert mindestens 95% der Bevölkerung Analphabeten. Im Islam war es normal, daß ein Kind zur Schule ging. Die Grundschulen waren erschwinglich, Eltern, die sich selbst diesen Betrag nicht leisten konnten, wurde er erlassen. In manchen Gegenden herrschte sowieso Schulgeldfreiheit, z.B. in Spanien.

Beim Wettstreit der Regierungspartei mit der Opposition steht der Programmpunkt "Bildung" ganz oben. So werden untentgeltliche höhere Schulen eingerichtet, die ihrem System nach mit den englischen Collges vergleichbar sind. Hier lernten die Jugendlichen Koran und Traditionen, Grammatik, Philologie, Rhetorik, Literatur, Geschichte, Völkerkunde, Geographie, Logik, Mathematik und Sternenkunde.