Der Westen
Der politisch zerrissene und religiös erschlaffte Okzident des elften Jahrhunderts wurde nahezu vollständig durch die Almoraviden wieder geeint. Die arabische Bezeichnung ist Al-Murabitun. Es waren Soldaten einer ordensähnlichen Garnison, die noch nicht lange islamisiert waren und einen recht militanten Islam vertraten und gegen die "verderbte" Kultur der maghrebinischen Staaten einen starken Widerwillen empfanden. Ihr Einfluß führte in Spanien zu einem Geist der Intoleranz gegen die Nichtmuslime, obwohl vierhundert Jahre lang ein gutes Einvernehmen vorausgegangen war.
Dann entstand die Bewegung der Almohaden (al-Muwahhidun, "Bekenner des Einen"). Sie waren kaum toleranter als die Almovariden. Ihr religiöser Vorkämpfer war der "Mahdi" Ibn Tumart (gest. 1130), und ihr politischer Organisator wurde dessen Schüler `Abdalmu'min (1130-1163). Territorial gesehen hatten die Almohaden Ende des zwölften Jahrhunderts das Werk der Almovariden vollendet. Das Volk entwickelte eine Art Sufismus, mit einer "Heiligenverehrung" von durchaus eigenem Charakter, wie er seitdem den "berberischen Islam" kennzeichnet.
Damals begann das Abendland, sein Augenmerk der arabisch-islamischen Kultur zuzuwenden und zu fragen, was diese ihm geben könne, und natürlich war der Kontakt zu dem nahen Spanien besonders lebhaft, wo Religionen und Sprachen sich mischten. Daher lernte Europa den Islam vor allem in der dort entwickelten Form kennen, und so ist für uns die almohadische Periode von besonderem Interesse.
Doch sollte das Reich der Almohaden so wenig wie das almoravidische und seljuqische von Dauer sein, und sein Verfall war angesichts der expansiven Kraft der angrenzenden Christenheit besonders folgenschwer. Schließlich zerfiel der Maghreb in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder in jene drei Teile, die im Lauf der Geschichte schon immer nach Selbständigkeit gestrebt hatten: Marokko, Mitte und Westen des heutigen Algeriens und der Osten vom heutigen Ostalgerien. In Spanien hatte nach der Schlacht von Navas de Tolosa (1212) die christliche Rückeroberung von neuem und mit endgültigem Erfolg eingesetzt. Unabhängig blieb nur das Königreich der Ziriden von Granada. Viele Muslime fühlten sich dort aber sehr am Rande des Islams und emigrierten in den Maghreb oder besser noch nach Syrien oder Ägypten. Das lebendige Zentrum des Islam war von nun an Ägypten (zuerst der ayyubidische danach der mamlukische Staat).