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Die abbasidische Revolution

Nachdem die umaiyadische Macht gefestigt war, hatte sie fünfzig Jahre Bestand. Gegen 740 entwickelten sich aber plötzlich aus dem Untergrund neue Unruhen.

Wie es genau dazu kam, läßt sich heute nur schwer nachvollziehen. Weder nationale noch interkonfessionelle Gründe waren die Ursache.

Die umaiyadische Herrschaft über die einzelnen Volksgruppen wurde sehr locker gehandhabt. Die Provinzgouverneure hatten ein hohes Maß an Selbständigkeit. Im religiösen Bereich herrschte volle Toleranz. Alle Konfessionen wurden mit der gleichen Indifferenz behandelt, so daß selbst Glaubensrichtungen, die bisher unterdrückt waren, unerwartete Chancen erhielten.

Eine entscheidende Frage war nach wie vor, welche Eigenschaften der Mann, der an der Spitze der islamischen Gemeinschaft steht, haben muß.

Die Chajiriten waren der Meinung, daß dies nur der beste Muslim sein kann. Dabei kann dieser Mann aus jeder Volksgruppe kommen. Entscheidend sind sowohl sein Glaube als auch seine Werke. Fehlverhalten kann durchaus zur Absetzung führen. Durch dieses Denken, wurde dann klar, daß der Mensch offenbar für sein Handeln vor Gott verantwortlich ist und trotz göttlicher Allmacht und Prädestination im Rahmen seiner Verantwortung eine gewisse Freiheit hat.

Auch eine andere Gruppe hatte das Ziel, den besten Muslim zu finden, ohne damit aber das Recht zu verbinden, die islamische Gemeinschaft gegen einen Führer zu spalten, der sich nicht als der beste Muslim erweist. Sie meinte, dieser Mann müsse aus der Familie Muhammads kommen.

Hier spielt der Messiasgedanke rein. Sowohl `Ali als auch Muhammad ibn al-Hanafiya wurden nach ihrem Tode verehrt. Ihnen wurde zugesprochen, sie seien gar nicht gestorben, sondern nur "verborgen"; sie würden wiederkommen und Gericht halten.

Die dritte Richtung läßt sich schwer genau bestimmen. Sie akzeptierten das umaiyadische Kalifat und waren der Meinung, Gott werde eines Tages richten. Solange ein unzweifelhaft gläubiger Kalif die Einheit der Gemeinschaft bewahrt, werde er nicht angetastet. Damit wurden Gedanken wie die Erwählung der Familie Muhammads oder die Vorstellung eines "besten Muslims" preisgegeben.

So in etwa war die geistige Situation um das Jahr 740.

Während die alidischen Bewegungen immer im Rampenlicht der politischen Bühne standen, ist die abbasidische Revolution erst ganz kurz vor ihrem Sieg in Erscheinung getreten; daher ist es schwer sich von ihren Anfängen ein klares Bild zu machen. Ihren Ausgang nahm sie von den Anhängern Muchtars und Muhammads ibn al-Hanafiya, die sich sich um den Sohn des letzteren, Abu Haschim, geschart hatten. Als dieser ohne Erben starb, erkannten sie nicht einen Aliden als Nachfolger an, sondern Muhammad ibn `Ali, einen Abkommen von al-`Abbas, den Onkel des Propheten Muhammad. Die Abbasiden hatten bis dahin keine bedeutende Rolle gespielt.

Ihr organisatorischer Führer residierte in Kufa. Dort war er jedoch maula unter anderen mawali. Entscheidend war die starke Bewegung die er in einer abgelegenen Provinz schuf: in Chorasan.

Hischam starb 743. Ihm folgte Marwan II. Er fühlte sich in Damaskus nicht sicher und verlagerte seine Residenz nach Harran unter die Qais. Damit wurde zugleich die wachsende Bedeutung Mesopotamiens anerkannt. Die Chaijiten und `Abdallah ibn Mu`awiya, der vorher schon an einem Aufstand beteiligt war, machten Marwan die Hälfte des Reiches streitig. In dieser Situation brach der abbasidische Aufstand los.

Organisator war Abu Muslim, ein iranischer Freigelassener, der in Kufa aufgewachsen war. Was aus der Bewegung ohne ihn geworden wäre, läßt sich nicht sagen. Er arbeitete energisch und skrupellos an der Festigung seiner Macht, um den Sieg seines direkten Herrn, des Abbasiden, herbeizuführen. `Abbas, der kurz zuvor Oberhaupt der Familie geworden war, wurde zum Kalifen ausgerufen. Marwan II. floh nach Ägypten. Man ließ alle lebenden Umaiyaden, angeblich zu einem Versöhnungsbankett, in Palästina zusammenkommen, wo sie erbarmungslos niedergemacht wurden. Die Leichen ihrer toten Vorfahren wurden ausgegraben und geschändet. Ein einziger, der später in Spanien ein neues Reich begründete, vermochte zu fliehen.